Andacht zu Jubilate, Joh 15,1-8 (03.05.2020)

30. April 2020

Verfasst von Pastorin Bettina Bartke

Wenn wir uns auf privaten Sendern einen Film oder eine Unterhaltungsshow ansehen, dann wird das Programm durch viele Werbeblöcke unterbrochen. Damit wir aber während dieser Pause nicht auf einem anderen Kanal hängenbleiben, werden wir von einer elektronischen Stimme gewarnt: „Bleiben Sie dran“, verbunden mit der Verheißung: „ gleich geht’s weiter…“

Sollten wir aber so richtig drin sein in der Thematik unseres Films, ist dieser Hinweis überflüssig. Dann wollen wir dran bleiben. Wir wissen, worum es geht und spielen die mögliche Fortsetzungen gedanklich durch. Den Anfang der Sendung auf anderen Sendern hingegen haben wir verpasst. Da wissen wir nicht, was Sache ist. Da sind wir nicht drin im Geschehen.

Ähnlich ist es mit einem Kurzbrief, auf dem „zum Verbleib“ angekreuzt ist. Angefügt ist ein langes Schriftstück mit einem uns bekannten Sachverhalt, während ein anderer nichts damit anfangen könnte. Bei uns aber ist die Akte zum Verbleib an der richtigen Adresse, denn wir sind drin in der Thematik, wir kennen den Zusammenhang.

Seit dem 16.März dieses Jahres allerdings hat die Aufforderung, zum Bleiben, auch einen bedrückenden Unterton: Bleiben Sie zu Haus- oder: die Wirtschaft bleibt auf der Strecke.

Im Predigttext für den Sonntag Jubilate werden wir ebenfalls zum Bleiben aufgefordert.

So spricht Jesus in seine Abschiedsreden beim Evangelisten Johannes im 15 Kapitel:

Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. 2 Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; und eine jede, die Frucht bringt, reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe. 3 Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.

4 Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht an mir bleibt. 5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. 6 Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt die Reben und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. 7 Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt und es wird euch widerfahren. 8 Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.

„Bleiben Sie dran“ sagt die Stimme vor der Werbung, denn hier bist du schon drin in der Materie. „Bleibt in mir“ sagt Jesus, denn, so verspricht er kurz vorher: „Gott wird euch den Geist der Wahrheit geben, und ihr kennt ihn, und der bleibt bei euch und wird in euch sein“

Wer aber nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt die Reben und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen.“

Während das Fernsehen vor der Werbung nur eine kaschierte Drohung hinterherschiebt, indem uns eine kurze Vorschau auf das hinweist, was wir verpassen würden, wenn wir den Sender wechseln, betrifft die Drohung Jesu unsere ganze Existenz, indem er uns mit einer leeren verdorrten Rebe vergleicht, die ins Feuer geworfen wird . Ein Bild, das an Höllenfeuer erinnert, an die radikale Trennung von allem, was mit Leben zu tun hat.

Jesus spricht diese Worte im Rahmen seiner Abschiedsreden. Er bereitet seine Jünger nicht nur auf seinen gewaltsamen Tod vor, sondern auch auf die Zeit danach, wenn er physisch nicht mehr bei ihnen sein wird. Und er prophezeit seinen Jüngern, dass die Welt sie genauso hassen wird, wie er gehasst worden ist. Deshalb möchte er ihnen für diese kommende schwerer Zeit die Gewissheit geben, dass er ihnen durch seine geistliche Präsenz eine geistliche Bleibe schaffen wird, die keinen Bedrohungen ausgesetzt ist.

Wie ein Kind - im Gegensatz zum sogenannten „verlorenen Sohn“ - mit der Zeit zu schätzen lernt, was es der Adresse der Eltern verdankt, genauso soll den Jüngern mit dem Vergleich vom Weinstock und seinen Reben ein Bild mit auf den je persönlichen Lebensweg gegeben werden, das an diese Verbindung erinnert.

Auch für uns gilt: Wir sind die Reben, und Jesus der Weinstock, die Quelle unseres Lebens.

Christsein ohne „Saft“, ohne Bewegung in Gedanken, Worten oder Werken, Christsein ohne die Dynamik von Liebe und damit auch Mitleid und Einfühlungsvermögen, Christsein ohne Schuld, Vergebung und Neuanfang, Christsein ohne die Bewegung auf den Nächsten hin kann es demnach gar nicht geben.

Denken wir an die Mahnung Jesu, die sich für ihn aus der Geschichte des barmherzigen Samariters ergibt, wenn er sagt „ gehe hin und tue desgleichen“ ,oder wenn er an anderer Stelle sagt: „vertrage dich mit deinem Bruder, solange du noch mit ihm auf dem Weg bist“.

Seit wir hauptsächlich zu Hause bleiben müssen, haben auch wir sicher noch mehr als sonst gespürt, dass der Status quo, der gegenwärtige eingeschränkte Zustand, weder unserer Bestimmung als sozialem Wesen noch unserem Auftrag in der Nachfolge Christi entspricht.

Gleichzeitig aber wird uns auch klar geworden sein, dass es trotz Krise möglich ist, im Glauben zu bleiben. Sowohl im stillen Kämmerlein, als auch durch kreative Ideen, wie wir mit anderen in Verbindung bleiben: vom Brief über das Telefon bis hin zu den digitalen Kommunikationsmöglichkeiten.

Ganz sicher ist auch dieses intensive Interesse aneinander eine prall gefüllte Frucht, mit der wir Gott trotz eingeschränkter Mobilität die Ehre geben und mit Paul Gerhard sagen können:

Ich hang und bleib auch hangen an Christus als ein Glied(EG112,6)

Klinken wir uns in diese Ermutigung ein und singen wir dann die Worte eines weiteren Dichters, wenn er schreibt:

Weiß ich den Weg auch nicht, Du weißt ihn wohl;

das macht die Seele still und friedevoll.

Ist's doch umsonst, dass ich mich sorgend müh,

dass ängstlich schlägt mein Herz, sei's spät, sei's früh.(EG 591)

Amen


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