Predigt zu Christi Himmelfahrt 2020 (21.05.2020)

20. May 2020

Verfasst von Bettina Bartke,Pn

Himmelfahrtsgottesdienste werden in den meisten Gemeinden seit Jahren traditionell unter freiem Himmel gefeiert. Aber auch andere open Air Gottesdienste haben sich inzwischen etabliert: Denken wir an Auferstehungsfeiern in der Frühe des Ostermorgens auf dem Friedhof, an Tauffeste am See, oder an den ganzen Bereich der Urlaubsseelsorge.

Gott, so bringen wir damit zum Ausdruck, genügen keine Kapellen und Kirchen. Er lässt sich nicht auf Sakralräume reduzieren. Gott wohnt nicht nur in der Vertrautheit unserer Gebäude, und schon Salomo hat diese Erkenntnis, wenn er feststellt: “Selbst aller Himmel Himmel können ihn nicht ja fassen! Sollte es also das Haus tun, das ich gebaut habe?“

Aller Himmel Himmel können Gott nicht fassen.“ So groß, nichts kann größer sein…“, so formuliert es ein Kinderlied mit Bewegungen, die andeuten, dass er uns alle in diese Größe einbettet. Der Beter des 33.Psalms formuliert in diesem Sinne: „ der Herr schaut vom Himmel und sieht alle Menschenkinder“

Und für diese Verbindung von Gott und Mensch, Himmel und Erde, Grenzen und Grenzenlosigkeit, steht Jesus, der, so der Anlass des heutigen Feiertages, von der Erde in den Himmel gefahren ist.

Jesus, der Enttäuschte ermutigte, Kranke heilte, Hoffnungslosen eine Perspektive vermittelte, und der selbst denen vergab, die ihn ans Kreuz brachten. Dieser Jesus von Nazareth tritt als der Christus in den Himmel ein. Dort setzt Gott ihn, so beschreibt es der Apostel Paulus im Epheserbrief, zu seiner Rechten ein, damit die barmherzige und richtungsweisende Haltung Jesu das Verhältnis zwischen Mensch und Gott auch weiterhin bestimmt.

Die Jünger aber können dieses himmlische Ereignis ebenfalls nicht fassen. Sie können nicht fassen, dass sie sich ein zweites Mal von Jesus trennen müssen. Ein zweites Mal hat er sich aus der Vertrautheit des menschlichen Zusammenseins herausgelöst.

Das private Verhältnis zu einem Freund, den sie direkt und konkret um Rat fragen konnten, der mit ihnen aß und diskutierte, lachte und weinte, und viel zu sagen hatte, ist unwiderruflich zu Ende.

Mit offenen Mündern starren sie ihm hinterher, gelähmt und paralysiert und handlungsunfähig, so, wie es vielen von uns geht, wenn wir keinen Ausweg mehr sehen, wenn eine Beziehung ihr Ende gefunden hat, oder wenn uns die Angst vor dem Virus oder vor unserem Existenzverlust blockieren.

Und auch wir fragen uns: wie kann Gott uns in dieser Situation alleine lassen? Wie kann Gott das zulassen? Und wenn Gott alles unter Jesu Füße getan hat (Eph 1,22) wie wird er uns in unserer jetzigen Krisensituation einen Neuanfang ermöglichen?

In seinem letzten Gebet, das als heutiger Predigttext vorgegeben ist, hebt Jesus seine Augen auf zum Himmel und spricht:

Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, 21 dass sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. 22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien, wie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst. 24 Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe die Welt gegründet war. 25 Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. 26 Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.( Joh 17,20ff)

„Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein“, -die Theologen sprechen von reziproker Immanenz - genau dafür steht Himmelfahrt.

Für die Einheit zwischen Vater und Sohn, ohne die das wahre Wesen Gottes nicht wäre. Denn von Anfang an, so macht die Schöpfungsgeschichte schon deutlich, begnügt er sich nicht mit sich selbst, sondern er definiert sich über die Beziehung zu seinem Ebenbild. Eine Beziehung aus Liebe, auf die der Mensch durch seine Verantwortung in der Welt dann antworten soll. Und nur in dieser Beziehung ist er da. Denn Gott ist kein Gott für sich, sondern er ist nur Gott, weil er ein relationaler Gott ist. Und genau das hat er uns innerhalb seines eigenen Wesens in Beziehung zu Jesus, vorgemacht.

Die gute Botschaft für uns lautet deshalb: Wir dürfen so frei sein, in seiner Nachfolge ebenfalls nicht nur entsetzt auf unsere mangelhafte Situation zu starren, sondern das Leben in liebevoller Gegenseitigkeit zu verantworten und auch die himmlischen Augenblicke zu entdecken. Selbst dann, wenn wir uns weiterhin als durch Schwächen und Versuchungen und Verstrickungen wahrhaftig begrenzte Menschen erfahren. Menschen, die ahnen, dass die Ursachen der Pandemie, und der unheilvolle Zusammenhang von Weltwirtschaft und Welthunger mit ihnen zu tun hat, und die oft verzweifeln, weil sie doch ohnmächtig sind. Menschen mit Grenzen, die sie nicht zu sprengen imstande sind.

„Aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters“, aber heißt, dass Gott es nicht zulässt, dass wir uns von ihm entfremden bis wir verschwunden sind wie ein Punkt in der Ferne, oder wie ein Sarg in der Gruft.

Martin Luther sagt zur Himmelfahrt:“ hüte dich, dass du nicht denkst, dass er jetzt weit von uns weg sei, sondern gerade umgekehrt: Da er auf Erden wart, war er uns zu fern, jetzt ist er uns nahe. Denn es hatten nicht alle Leute bei ihm sein und ihn hören können.“

Wohl entschwindet Jesus dem menschlichen Blick wie ein Ballon am Horizont, die Verbindung zwischen Himmel und Erde aber weitet er aus, die macht er groß.

Zum Zeichen dafür – so berichtet der Evangelist Lukas- segnet Jesus die Jünger und verspricht, auf sie herabzusenden, was der Vater verheißen hat- „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen.“ Und sicher ist es das, was wir seit Wochen wohl am meisten vermissen: den mit erhobenen Händen persönlich gespendeten Segen für alle. Wir vermissen die persönliche Zusage Gottes, in aller Angst und in aller Not bei uns zu sein. Wir sehnen uns danach, die Beziehung zu Gott durch gemeinsame Erinnerungen an das, was Jesus für uns getan hat, wie ein altes Foto immer wieder neu zu belichten!

Und wir vermissen das gemeinsame Abendmahl, das Jesus uns zu seinem Gedächtnis mit auf den Weg gegeben hat. Denn Gedächtnis ist mehr als Erinnerung, es ist Vergegenwärtigung in, mit und unter den Elementen.

Aber wir haben Menschen an unserer Seite. Gegenseitig ermutigen wir uns, dass wir trotz unseres Schocks über die Pandemie, aus diesem Alptraum langsam wieder erwachen und mit aller Vorsicht in unser Leben zurückkehren dürfen.

Die Jünger haben weitere 10 Tage gebraucht, bis sie sich vom heiligen Geist erfüllt zu den ersten Gottesdiensten versammeln durften, und täglich viele Menschen zur Gemeinde hinzugefügt wurden.

Wir werden länger brauchen, bis wir wieder so richtig feiern dürfen.

Durchkreuzen will Jesus unser Leben trotzdem, auch in der Hausgemeinschaft, oder im stillen Gebet.

Denn er sagt:

Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen-

Amen

Weitere Artikel

Predigt zu Exaudi 2020, Jer 31,31-34

Pape Michael, 23. May 2020

Verfasst von Pn Bettina Bartke

Wenn wir uns vorstellen, wie sich die Jünger an diesem Sonntag zwischen Himmelfahrt und Pfingsten gefühlt haben müssen, dann befindet sich ihre Stimmung...

Rogate 2020, Joh 16

Pape Michael, 15. May 2020

Beten ist eine Grundgeste jeden Glaubens.

Es ist die Pflege der Beziehung zu Gott als einem persönlichen und doch transzendenten Vater, dem wir uns zuwenden.

Meistens nehmen wir...

Andacht für Sonntag Kantate (05.05.2020)

Pape Michael, 8. May 2020

Verfasst von Pastorin Bettina Bartke

Der Anfangsvers des diesem Sonntag zugeordneten Psalms gibt den Ton an, auf den dieser Sonntag gestimmt sein soll: Kantate: „singet dem Herrn ein neues...

Andacht zu Jubilate, Joh 15,1-8 (03.05.2020)

Pape Michael, 30. April 2020

Verfasst von Pastorin Bettina Bartke

Wenn wir uns auf privaten Sendern einen Film oder eine Unterhaltungsshow ansehen, dann wird das Programm durch viele Werbeblöcke unterbrochen. Damit...

Andacht zum 2. Sonntag nach Ostern Misericordias domini (23.04.2020)

Pape Michael, 24. April 2020

Verfasst von Pastorin Bettina Bartke

Jeder von uns kennt den 23. Psalm. Das Gebet von Gott, der uns wie ein guter Hirte auf einer grünen Aue weidet, zum frischen Wasser und durchs finstere...

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Hier erfahren Sie alles zum Datenschutz